Aufhebung internationaler Kaufverträge wegen Mängel

BGH, Urteil vom 24.09.2014 – VIII ZR 394/12 

Dazu folgender Fall:
Die in Deutschland ansässige Beklagte stellte in Massenproduktion Autoteile aus Kunststoff her. Für ihre Produktion benötigt sie speziell angefertigte Werkzeuge, die sie von einem Hersteller in Ungarn herstellen ließ. Obwohl die Werkzeuge mangelhaft waren und die Beklagte dies rügte, nahm sie die Werkzeuge trotzdem an, behob die Mängel selbst und setzte die Werkzeuge für ihre Produktion ein. Die Klägerin begehrte die restliche Kaufpreiszahlung aus verschiedenen Lieferverträgen. Die Beklagte war demgegenüber der Meinung, dass die Vergütungsforderungen entfallen seien, da sie unter anderem wegen der Mängel den „Rücktritt“ von den Verträgen erklärt hätte. 

Die Vertragsparteien hatten in diesem Fall ihre Niederlassungen in verschiedenen Staaten, die beide Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts sind. Das UN-Kaufrecht gilt nicht nur für Kaufverträge, sondern auch für Verträge über die Lieferung herzustellender Waren. Deshalb sind auch Zulieferverträge den Kaufverträgen gleichzustellen, wenn der Zulieferer die Waren nach Vorgaben des Auftragsgebers herstellt und liefert.

Nach UN-Kaufrecht ist der Käufer – anders als im rein nationalen deutschen Recht - nur dann zur Aufhebung des Vertrags berechtigt, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt (Art. 25 I CISG).

Eine solche wesentliche Vertragsverletzung liegt vor, wenn die berechtigten Erwartungen der anderen Partei so sehr beeinträchtigt werden, dass ihr Interesse an der Erfüllung des Vertrags im Wesentlichen entfallen ist. 

Die mangelhafte Ware muss für den Käufer weitgehend ohne Nutzen sein; kann er sie, wenn auch unter Einschränkungen nutzen, liegt nach UN-Kaufrecht keine wesentliche Vertragsverletzung vor.

Kann der Käufer die mangelhafte Ware daher anderweitig ohne unverhältnismäßigem Aufwand verarbeiten, stellt ein Mangel grundsätzlich keine wesentliche Vertragsverletzung dar. Deshalb ist auch beim Absatz der Ware im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, gegebenenfalls mit einem Preisabschlag,  keine wesentliche Vertragsverletzung anzunehmen. 

Wenn der Käufer die – nicht für den Weiterverkauf bestimmte – mangelhafte Sache für den vorgesehenen Zweck auf Dauer verwendet, liegt auch keine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des UN-Kaufrechts vor. Der Käufer zeige nach Ansicht des BGH mit einem solchen Verhalten, dass die Ware für ihn doch von Interesse sei.

Der BGH führt in seinem Urteil aus, dass die Rückabwicklung des Vertrags dem Käufer nur als letzte Möglichkeit zur Verfügung steht. 

Dabei sei in erster Linie auf die getroffenen Parteivereinbarungen abzustellen. Haben die Vertragsparteien keine Parteivereinbarungen getroffen, ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsaufhebung die letzte Möglichkeit ist und andere Rechtsbehelfe wie Minderung und Schadensersatz vorrangig sind. 

Dies gilt selbst für erhebliche Mängel, bei erfolglosen Nachbesserungsversuchen, Termindruck oder wenn der Käufer überzeugt ist, dass der vertragsbrüchige Vertragspartner die Mängel nicht rechtzeitig wird beheben können.

Urteil abgedruckt in NJW 12/2015, Seite 867 ff.