Unsicherheit bei Geschäften mit russischen Unternehmen

09. August 2019

Seit 2014 bestehen die von der EU und den USA verhängten Handels- und Investitionsbeschränkungen gegen Russland. Die Dauer der von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen wurde erst kürzlich bis zum 31.01.2020 verlängert. Bislang ist ein Ende der Embargos und ein uneingeschränkter Handel mit Russland nicht in Sicht.

Überblick über die Sanktionen

 

Ausfuhrverbot für Dual-Use-Güter

Für Dual-Use-Güter gilt ein Ausfuhrverbot, welches sowohl zweck- als auch personengebunden ist. Dual-Use-Güter sind solche, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind (z. B. bestimmte Chemikalien, Maschinen, Technologien, Werkstoffe und insbesondere Software oder Technologien). Die betroffenen Güter sind in Anhang I der Dual-Use-Verordnung (EG) Nr. 428/2009 aufgelistet.
Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ist die Ausfuhr, der Verkauf, die Lieferung und die Verbringung solcher Dual-Use-Gütern verboten, wenn diese ganz oder teilweise für militärische Zwecke oder für einen militärischen Endverwender in Russland bestimmt sind oder bestimmt sein könnten. Art. 2 a der Verordnung (EU) Nr. 960/2014 verbietet die Ausfuhr, den Verkauf, die Lieferung und die Verbringung von Dual-Use-Gütern an die in Anhang IV der Verordnung genannten Mischempfänger (russische Rüstungsunternehmen).
Zusätzlich sind technische Hilfen, Vermittlungsdienste und die Bereitstellung von Finanzmitteln oder Finanzhilfen in Bezug auf die oben genannten Verbotstatbestände nach Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verboten.
Von dem Verbot sind Altverträge, die vor dem 01.08. bzw. 12.09.2014 geschlossen wurden, ausgenommen. Für Altverträge und für Fälle, in denen kein Verbot einschlägig ist, besteht weiterhin die allgemeine Genehmigungspflicht nach Art. 3 der Dual-Use-Verordnung. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch nicht im Anhang der Dual-Use-Verordnung gelistete Güter mit doppeltem Verwendungszweck genehmigungspflichtig werden. Liegen bei der möglicherweise bestehenden Pflicht, eine Genehmigung zu beantragen, Zweifel vor, sollte ein sogenannter Nullbescheid beantragt werden. Für die Genehmigung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig.

 

Beschränkungen für die Ausrüstung im Energiebereich

Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 ist die Ausfuhr von Gütern, die in Anhang II der Verordnung aufgeführt sind, nach Russland genehmigungspflichtig. Für die Genehmigung ist das BAFA zuständig.
Hiervon sind vor allem Güter betroffen, die zur Verwendung bei der Erdölexploration und -förderung in der Tiefsee und der Arktis sowie bei Schieferölprojekten geeignet sind. Sollen die Güter des Anhangs II in den genannten Bereichen zum Einsatz kommen, so darf eine Ausfuhrgenehmigung grundsätzlich nicht erteilt werden. Hiervon ausgenommen sind lediglich Altverträge, die vor dem 01.08.2014 geschlossen wurden.
Ergänzend gilt nach Art. 3 a der Verordnung (EU) Nr. 960/2014 ein Verbot für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen im Zusammenhang mit den oben genannten Explorations- und Förderprojekten. Verboten sind demnach Bohrungen, Bohrlochprüfungen, Bohrlochmessungen und Komplettierungsdienste sowie die Lieferung spezialisierter schwimmender Plattformen. Ausgenommen sind wiederum Altverträge, die vor dem 12.09.2014 geschlossen wurden.

Waffenembargo

Art. 2 des Beschlusses 2014/512 GASP untersagt den unmittelbaren oder mittelbaren Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Gütern aller Art, einschließlich Waffen und Munition, Militärfahrzeuge und -ausrüstung, paramilitärische Ausrüstung und entsprechende Ersatzteile in die Russische Föderation. Das Waffenembargo wurde durch eine Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in den §§ 74 ff. in nationales Recht umgesetzt. Auch in diesem Zusammenhang ist die technische Hilfe sowie Finanzdienstleistungen verboten.
Für Altverträge (vor dem 01.08.2014 geschlossen) gilt das Waffenembargo nicht. Allerdings ist die Ausfuhr dieser Güter weiterhin genehmigungspflichtig, § 8 Abs. 1 AWV.

Personenlistungen

In Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 269/2014 sind bestimmte natürliche Personen genannt, deren Ein- und Durchreise für das Gebiet der Europäischen Union verboten ist. Ferner sind dort bestimmte Einrichtungen gelistet. Für diese und auch für die genannten natürlichen Personen gilt ein Bereitstellungsverbot. Demnach ist es verboten, den gelisteten Personen unmittelbar oder mittelbar Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Erfasst sind auch Unternehmen, die zu mehr als 50 % im Eigentum einer gelisteten Einrichtung stehen. Derzeit befinden sich 160 natürliche Personen und 41 Einrichtungen auf der Liste.

Handels- und Investitionsbeschränkungen für die Krim und Sewastopol

Mit der Verordnung (EU) Nr. 692/2014 wurde ein Einfuhrverbot für Waren mit Ursprung auf der Krim oder in Sewastopol verhängt. Ausgenommen sind Waren, für die die ukrainischen Behörden entsprechend den europäischen Präferenzursprungsregelungen ein Ursprungszeugnis ausgestellt haben. Mit den Verordnungen (EU) Nr. 825/2014 und (EU) Nr. 1351/2014 wurden diese Handelsbeschränkungen um ein Investitions- und ein Ausfuhrverbot ergänzt.
Nach Art. 2 a der Verordnung (EU) Nr. 825/2014 bezieht sich das Investitionsverbot auf den Erwerb und die Ausweitung einer Beteiligung an Immobilien, Eigentum oder Kontrolle über Einrichtungen, Vergabe von Darlehen oder Krediten oder sonstigen Finanzierungen an Einrichtungen, Gründung von Gemeinschaftsunternehmen auf der Krim und die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, die mit den zuvor genannten Investitionen in Zusammenhang stehen.

Haftungsbegrenzung und Erfüllungsverbot

Hilfreich für Unternehmen sind Art. 10 und Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014. Art. 10 enthält eine Haftungsbegrenzung, wonach eine Haftbarkeit ausscheidet, sofern ein Unternehmen nicht wusste und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatte, dass gegen die in der Verordnung enthaltenen Maßnahmen verstoßen wird.
Art. 11 enthält ein Erfüllungsverbot. Durch dieses sollen Wirtschaftsbeteiligte vor allen möglichen Entschädigungsansprüchen geschützt werden, die dadurch resultieren, dass sie aufgrund der Sanktionsmaßnahmen ihre Verträge oder Geschäfte nicht mehr erfüllen können.

US-Embargos und deren Auswirkungen auf deutsche Unternehmen

Ebenfalls im Jahr 2014 erließen auch die USA entsprechende Sanktionen gegen Russland. Diese unterscheiden sich nur geringfügig von den europäischen Embargos. Der größte Unterschied besteht in den Personenlisten, da diese inhaltlich nicht deckungsgleich sind. Geltung können die US-Embargos für europäische Unternehmen nur erlangen, wenn amerikanische Produkte oder Produkte mit einem bestimmten amerikanischen Mindestanteil reexportiert werden.
Relevanter sind die neueren Maßnahmen der USA. Im Sommer 2017 erließ das US-Repräsentantenhaus den „Countering America´s Adversaries Through Sanctions Act” (CAATSA). Neben weiteren Finanzierungsbeschränkungen ermöglicht das Gesetz auch Sanktionsmaßnahmen gegen drittländische Unternehmen. So können Sanktionen gegen jeden verhängt werden, der signifikante Transaktionen mit gelisteten Personen und Unternehmen durchführt. Bislang wurde von dieser Möglichkeit noch kein Gebrauch gemacht.

Die Gegenmaßnahmen Russlands

Die erste Gegenmaßnahme Russlands war ein Einfuhrverbot für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Rohstoffe und Lebensmittel aus den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union, Kanada, Australien und aus dem Königreich Norwegen. Dieses wurde später noch auf Albanien, Montenegro, Island, Liechtenstein und die Ukraine erweitert. Zuletzt wurden die Einfuhrverbote bis zum 31.12.2019 verlängert.

Besonders gravierend wären die Auswirkungen einer bislang noch nicht erfolgten Gesetzesänderung (Gesetzesentwurf Nr. 464757-7) des russischen Strafgesetzbuches. Mit diesem Gesetzesentwurf soll die Befolgung ausländischer Sanktionen durch russische und nichtrussische Personen, die zu einer Beeinträchtigung der gewöhnlichen geschäftlichen Tätigkeit russischer Personen führt, unter Strafe gestellt werden. Sollte es zu einer entsprechenden Strafbarkeit kommen, sollten Unternehmen davor gewarnt sein, dass eine Nichtdurchführung eines Vertrages aufgrund der Embargos strafrechtliche – natürlich ausschließlich in Russland - Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen

Mittlerweile besteht eine fast unüberschaubare Vielfalt unterschiedlicher Sanktionen. Vor dem Abschluss neuer Verträge mit russischem Bezug sollte unbedingt geprüft werden, welche Sanktionen einschlägig sein könnten. Ferner müssen Geschäftspartner auf Verbindungen zu gelisteten Personen überprüft werden.

Bei bereits bestehenden Verträgen besteht die große Hürde darin, sich an die europäischen und amerikanischen Sanktionen zu halten, ohne dabei in Russland mit zivilrechtlichen und künftig vielleicht auch strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert zu sein.
Das russische Verfassungsgericht entschied beispielsweise, dass die Befolgung der Sanktionen ein treuwidriges Verhalten darstellt. Unter Berufung auf Force Majeure werden deutsche Vertragspartner auch nicht von ihrer Leistungspflicht befreit, denn russische Gerichte erkennen die Sanktionen wegen fehlender Unvorhersehbarkeit nicht als höhere Gewalt an. Damit droht die Vollstreckung etwaiger Schadensersatzansprüche, die durch die vorzeitige Beendigung des Vertrages drohen, in in Russland belegene Aktiva (z. B. Anteilen an russischen Gesellschaften).
Insbesondere die Durchsetzbarkeit von Schiedsurteilen in Russland ist ungewiss. Beruht das Schiedsurteil auf der Durchsetzung von westlichen Sanktionen, so besteht die Möglichkeit, dass dies in Russland als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gesehen wird. Ein Widerspruch zur öffentlichen Ordnung ist in Russland wiederum Grundlage für die Verweigerung der Anerkennung ausländischer Schiedsurteile.