Fristlose Kündigung eines Franchisevertrags wegen Kleinigkeiten?
– 10 kleinere Verstöße führen zur großen Katastrophe –
OLG München, Urteil vom 14.10.2014 – 7 U 2604/13
In diesem Urteil fordert die Klägerin, die Franchisenehmerin der Beklagten war, von dieser einen Schadensersatz in Höhe von insgesamt 118.961 € wegen unberechtigter fristlosen Kündigung des Franchisevertrags, welcher auf zwanzig Jahren ausgelegt war. Klage und Berufung der Franchisenehmerin blieben erfolglos.
Der Franchisegeber führte drei Betriebsprüfungen bei der Klägerin durch. Dabei wurden folgende kleinere Verstöße festgestellt und der Entscheidung des Gerichts zu Grunde gelegt:
- Verstöße gegen die Bekleidungsvorschriften der Beklagten (konkret: keine Kopfbedeckung in der Küche, Tragen einer privaten Bluse, Tragen einer privaten Kravatte),
- Verwendung von Lebensmitteln, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war,
- Wiederholte Ungenauigkeiten beim Umgang mit der Temperaturmessung der Hackfleischbrätlinge,
- Lagerung der Greifzange, mit der rohe Fleischprodukte aus der Tiefkühltruhe zu entnehmen waren, entgegen den Vorschriften der Beklagten nicht in, sondern auf der Tiefkühltruhe,
- Wechseln eines Mitarbeiters zwischen Kassenbereich und Küche, ohne sich die Hände zu waschen,
- Nichtvorlage eines Schichtführerszertifikats,
- Fehlen der kleinsten Bürste des Reinigungsbürsten-Sets zur Reinigung der Shake-/Eismaschine
- Kein stilles Wasser für Gäste vorhanden,
- Verwendung von Tomatenstücken zum Belegen der Burger,
- Bewerben eines Sommerdesserts im Winter, obwohl dieses ausverkauft war.
Das OLG München führte aus, dass die im Franchisevertrag aufgeführten Kündigungsgründe nicht abschließend seien, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ im Franchisevertrag ergebe. Dem Franchisegeber steht damit auch ein gesetzliches fristloses Kündigungsrecht (§ 314 Abs. 1 BGB) zu, wenn sich in der Gesamtschau unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Franchisegeber nicht mehr zumutbar ist.
Jeder der hier aufgeführten Verstöße würde für sich genommen keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Deren Zusammenschau lässt die fristlose Kündigung allerdings nach Ansicht des OLG München vertretbar erscheinen. Dies begründet das Gericht damit, dass derartige kleinere Verstöße geeignet seien, das Markenimage des Franchisegebers in der Öffentlichkeit massiv zu beschädigen. Eine derartige Rufschädigung könne nicht nur die Klägerin selbst, sondern auch den Franchisegeber und dessen Franchisenehmer schädigen, sodass der Franchisegeber im eigenen und im Interesse der anderen Franchisenehmer gehalten war, die Geschäftsbeziehung mit der Klägerin zu beenden.
Das OLG München stellte auch fest, dass eine ordentliche Kündigung bei befristeten Verträgen nicht möglich ist, sodass bei Pflichtverletzungen die Fortsetzung eines befristeten Vertrages umso unzumutbarer wird, je länger die Restlaufzeit ist. Hier war sie mit ca. 11 Jahren als lang einzustufen. Die Interessen der Franchisenehmerin mussten daher hinter die des Franchisegebers zurücktreten.
Urteil abgedruckt in: ZVertriebsR, 2/2015, Seite 110 ff.