BFH zur zolltariflichen Einreihung kombinierter Maschinen
Klarstellung zur Anwendung der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI KN
Einleitung
Die korrekte zolltarifliche Einreihung von Waren ist für Unternehmen von erheblicher praktischer Bedeutung. Bereits geringe Unterschiede bei der Einordnung können entscheidende Auswirkungen auf die Höhe des Zollsatzes haben und damit unmittelbar die Wirtschaftlichkeit von Import- und Exportgeschäften beeinflussen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich in einem aktuellen Beschluss mit der Frage zu befassen, ob ein technisches Modul aus LED-Array und Thermistor als kombinierte Maschine im Sinne der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen ist oder ob eine direkte Einordnung nach dem Wortlaut einer bestimmten Tarifposition erfolgt.
Das Ergebnis ist für Unternehmen, die High-Tech-Komponenten wie LED- oder Sensormodule importieren, von besonderem Interesse.
Hintergrund des Verfahrens
Im Streit stand ein technisches Modul, das aus einer spezialisierten UV-LED auf einer Kupferkernplatine sowie einem NTC-Thermistor bestand.
- Funktion des Moduls: Das LED-Array erzeugt nahezu ausschließlich ultraviolette Strahlung. Der Thermistor misst die Oberflächentemperatur und ermöglicht Rückschlüsse auf die Temperatur des LED-Arrays.
- Anwendungsgebiete: Industrie- und Medizintechnik, insbesondere Aushärtung von Beschichtungen, 3D-Druck, Fluoreszenz-Mikroskopie und Detektion von Bruchstellen in Medikamenten.
Die Importeurin beantragte eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) und schlug die Einordnung unter Pos. 8541 KN („Leuchtdioden“) – Zollsatz 0 % vor. Das Hauptzollamt entschied dagegen auf Pos. 8543 KN („elektrische Apparate mit eigener Funktion, anderweit weder genannt noch inbegriffen“) – Zollsatz 3,7 %. Das Finanzgericht Hamburg folgte der Importeurin, das Hauptzollamt legte Beschwerde ein.
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Beschwerde zurück und stellte klar:
- Vorrang der Allgemeinen Vorschriften (AV 1 KN):
Wenn eine Ware bereits nach dem eindeutigen Wortlaut einer Tarifposition einzuordnen ist, kommt die Anwendung der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI KN nicht mehr in Betracht. - Keine kombinierte Maschine:
Das streitgegenständliche Modul stellt keine kombinierte Maschine dar. Die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI regelt zwar, wie Maschinen mit mehreren Funktionen einzuordnen sind. Sie greift jedoch nur subsidiär, wenn keine eindeutige Tarifposition einschlägig ist. - Keine Revisionszulassung:
Dass das Finanzgericht eine fehlerhafte Tarifierungsauffassung vertreten hatte, genügte nicht für die Zulassung der Revision. Eine höchstrichterliche Klärung sei nicht erforderlich, da die Rechtslage eindeutig sei.
Fundstelle: Beschluss vom 21. November 2024, VII B 76/23; ECLI:DE:BFH:2024:B.211124.VIIB76.23.0
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Wortlaut der Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI der KN:
“Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind kombinierte Maschinen aus zwei oder mehr Maschinen verschiedener Art, die zusammen arbeiten sollen und ein Ganzes bilden, sowie Maschinen, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, zwei oder mehrere verschiedene, sich abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen, nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit (Hauptfunktion) einzureihen.”
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung verdeutlicht wesentliche Punkte für Unternehmen, die technische Module importieren:
- Eindeutiger Wortlaut geht vor: Liegt eine klare Tarifposition nach den Allgemeinen Vorschriften vor, ist diese maßgeblich. Subsidiäre Einreihungsregeln – wie die Anmerkung 3 zu Abschnitt XVI KN – treten zurück.
- Keine „Kombination“ bei Zusatzbauteilen: Das bloße Hinzufügen von Überwachungs- oder Schutzkomponenten (z. B. Thermistoren) macht aus einem Produkt keine kombinierte Maschine im zolltariflichen Sinne.
- Rechtssicherheit durch Präzision: Unternehmen sollten bei der Beantragung einer vZTA präzise darlegen, welche Hauptfunktion das Produkt hat. Ergänzende Bauteile ändern die Einreihung regelmäßig nicht, solange sie die Hauptfunktion nicht überlagern.
- Blick auf Rechtsänderungen: Mit der Revision des Harmonisierten Systems 2022 wurde die Einordnung von LED-Bauelementen noch einmal präzisiert. Für künftige Importe ist daher stets die aktuelle Rechtslage maßgeblich.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen
- Sorgfältige Analyse vor Import: Bereits vor der Verzollung sollten technische Produkte einer detaillierten Einreihungsprüfung unterzogen werden, um unnötige Nachforderungen oder Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
- Beantragung einer vZTA: Eine verbindliche Zolltarifauskunft schafft Rechtssicherheit – allerdings nur für drei Jahre. Rechtzeitige Verlängerung oder Neubewertung ist wichtig.
- Dokumentation der Hauptfunktion: Unternehmen sollten technische Beschreibungen, Datenblätter und Funktionsanalysen bereithalten, um die Hauptfunktion gegenüber den Zollbehörden eindeutig darzulegen.
- Monitoring von Rechtsänderungen: Änderungen im Harmonisierten System und in der Kombinierten Nomenklatur wirken sich unmittelbar auf die Einreihung aus. Kontinuierliche Rechtsbeobachtung ist unerlässlich.
- Juristische Beratung nutzen: Komplexe High-Tech-Produkte bergen regelmäßig Einreihungsrisiken. Eine frühzeitige juristische Begleitung hilft, kostenintensive Verfahren zu vermeiden.
Fazit
Die Entscheidung des BFH bestätigt eine klare Linie: Wo der Wortlaut einer Tarifposition eindeutig ist, besteht kein Raum für die Anwendung subsidiärer Einreihungsregeln. Für Importeure bedeutet dies mehr Rechtssicherheit, zugleich aber auch die Verpflichtung, die technische Beschaffenheit ihrer Produkte genau zu analysieren und transparent darzustellen.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Risiken bei der Zolltarifierung frühzeitig zu erkennen, verbindliche Auskünfte zu beantragen und im Streitfall Ihre Interessen vor den Finanzgerichten durchzusetzen.
Beitrag veröffentlicht am 15.09.2025 von Rechtsanwältin Inés Jakob
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